Die Entwicklung zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist eine grundlegende Transformation, bei der erkämpfte gesellschaftliche wie politische Werte bewahrt werden müssen, d.h. sie muss auch sozial nachhaltig sein. Hierzu gehören gesellschaftlicher Zusammenhalt, intergenerationale Gerechtigkeit und evidenzbasierte Politik ebenso wie die Möglichkeit für jede und jeden an der Gesellschaft und am politischen Diskurs teilzuhaben.

Verkörpert werden diese Werte in der parlamentarischen Demokratie. In den Parlamenten wird beständig versucht, Positionen breit zu verhandeln und Kompromisse zu erzielen, die von der Bevölkerung akzeptiert werden. Parteien nehmen hierbei eine wichtige Rolle ein, weil sie Meinungen aus der Breite der Bevölkerung aufnehmen, diskutieren und in parlamentarischen Diskussionen kanalisieren.

Dieses Modell gerät jedoch unter Druck: durch eine individualisierte Informationsflut schwindet ein gemeinsames Verständnis der Welt und Parlamente wie Parteien sehen sich mit dem Vorwurf konfrontiert, zu langsam und zu kompromissbereit bei der Bearbeitung der Klimakrise zu sein. Zugleich steigt das Interesse an sozialen und politischen Bewegungen, die den etablierten Akteuren vermutlich den Rang ablaufen.

Für die Sicherung und Akzeptanz der repräsentativen Demokratie stellt sich damit die Frage, wie dieses Modell sich weiterentwickeln soll und muss, um den gegenwärtigen Ansprüchen zu genügen. Es braucht neue, innovative Ideen, um die erkämpften politischen Werte auch in der Gegenwart und für die Zukunft zu erhalten.

Bürgerbeteiligung

Im Kontext der Akzeptanz politischer Entscheidungen werden seit langem verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung diskutiert: Allen voran kommt den Parteien eine im Grundgesetz verankerte Schlüsselrolle als Orte politischer Willensbildung zu.  Daneben gibt es weitere Möglichkeiten, sich politisch zu beteiligen, z.B. über Bürgerforen, Bürgerbegehren und -entscheide. Kritisiert wird an diesen Formen der Bürgerbeteiligung, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen gerade hier unterrepräsentiert sind und es oftmals unklar ist, welche Legitimationen und Einflussmöglichkeiten sie tatsächlich bieten. Direkte Konsultationen von Bürgerinnen und Bürgern können allerdings förderlich für die Entscheidungsfindung sein sowie zu mehr Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen und des politischen Systems beitragen. Es wird auch argumentiert, dass das demokratische Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger durch Bürgerbeteiligung gestärkt, das Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse erhöht und damit letztendlich zur Stärkung der Demokratie und Verbesserung ihrer Legitimität beigetragen werden kann.
Auch auf europäischer Ebene gibt es verschiedene Bürgerbeteiligungsinstrumente. Es können beispielsweise Beschwerden über Missstände in der Verwaltungstätigkeit der Europäischen Union bei der Europäischen Bürgerbeauftragten eingereicht werden. Durch die Europäische Bürgerinitiative können Europäerinnen und Europäer die Europäische Kommission dazu auffordern, bestimmte neue Gesetze vorzuschlagen. Außerdem gab es im Laufe der letzten Jahre bereits verschiedene „Bürgerparlamente“ und Konsultationen, durch die sich europäische Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich ihrer Wünsche und Ansichten zur Zukunft Europas äußern und Gehör verschaffen konnten. Bei der hier vorgestellten „Konferenz zur Zukunft Europas“ handelt es sich um ein neuartiges Format der demokratischen Bürgerbeteiligung auf EU-Ebene. 
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das vorhandene Bedürfnis nach direkter Beteiligung ernst genommen, bindende Entscheidungen jedoch nicht an Bürgerbeteiligung gekoppelt werden sollten. Formate der direkten Bürgerbeteiligung sollten immer von repräsentativen Institutionen wie dem Parlament initiiert und von diesem auch wieder entgegengenommen und die Ergebnisse weiter bearbeitet werden.

Konferenz zur Zukunft Europas

Bürgerräte

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Zukunftsmodell Bürgerrat
Können Bürger Demokratie besser?

Staatsmodernisierung

Dem Staat und der Verwaltung kommt auch im Zuge der nachhaltigen Transformation eine wichtige Rolle zu. So sind es staatliche Stellen oder von ihnen beauftrage Institutionen, die Mittel für Förderprogramme vergeben, Forschungsprojekte bewilligen und Gründungsförderung vornehmen, aber auch Steuern erheben und Regeln überwachen. Damit verantworten sie wesentliche Stellschrauben des Staates zur Einflussnahme auf eine nachhaltige Entwicklung.

Bürokratische Prinzipien sind entgegen ihres schlechten Rufs für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sehr gewinnbringend. Sie ermöglichen, dass Entscheidungen transparent nach festgeschriebenen Verfahren und nachvollziehbaren Kriterien getroffen werden und nicht etwa in Abhängigkeit von persönlicher Sympathie. Im internationalen Vergleich wird der deutsche Staat deshalb als leistungsfähig angesehen und bietet etwa eine hohe Rechts-, und damit z.B. Investitionssicherheit.

Gleichzeitig hat der deutsche Staat einen erheblichen Modernisierungsbedarf, wie auch die Pandemie deutlich gezeigt hat. Das bezieht sich nicht allein auf die technische Ausstattung, sondern gilt insbesondere bei der Länge der Entscheidungsverfahren und bei der Reaktionsfähigkeit auf aktuelle Bedarfe. Auch langfristige Veränderungen wie Migration oder Digitalisierung stellen staatliches Handeln auf den Prüfstand, ebenso wie ein weltweiter Systemwettbewerb.

Neben der Verbesserung bestehender Prozeduren eröffnen hier v.a. neue Informations- und Kommunikationstechnologien bessere Möglichkeiten, staatliche Leistungen zugänglicher und damit transparenter zu machen. Neben der Einrichtung von Apps als niedrigschwelliger Kommunikationsmöglichkeit zwischen Behörden und Bürgern (-> s. Urbanes Leben; Emsland DorfApp) tritt hier die Möglichkeit, Prozesse über das Internet zugänglich zu machen oder zu automatisieren. Durch Vermeidung von Wegen und Aufwand werden einerseits direkt Ressourcen geschont. Andererseits arbeitet der Staat damit effizienter, bürgernaher und damit auch nachhaltiger.

 

One-Stop-Shop

Soziale Inklusion durch Barrierefreiheit

Eine Gesellschaft lebt davon, das jeder oder jede entsprechend ihrer Möglichkeiten am gesellschaftlichen Diskurs teilhaben kann. Teilhabe – oder Partizipation – meint hier, „dazugehören zu, dabei sein in und mitgestalten von politisch verfassten Gemeinwesen und gesellschaftlich begründeten Gemeinschaften von Menschen.“ Soziale Inklusion bedeutet, dass diese Teilhabe für alle Menschen möglich ist. Verschiedenheit wird in einer inklusiven Umgebung dabei als eine Bereicherung verstanden.

Barrierefreiheit in jeglicher Hinsicht (bzgl. des Alters, der psychischen und physischen Gesundheit, der Sprachkenntnisse), die zu mehr Teilhabe breiter Bevölkerungsgruppen führt, kann diesem Defizit im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit zumindest teilweise beikommen. Dafür braucht es Teilhabe-Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung, sozial isoliert lebende Menschen, Ältere, Menschen mit Migrationshintergrund und viele andere mehr, damit der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht geschwächt wird und damit die Nachhaltigkeit unseres Gesellschaftsmodells nicht leidet. 

Innovationen – seien sie nun digitaler oder analoger Natur – können auf vielfältige Art und Weise den Abbau von Barrieren fördern – im wörtlichen Sinn wie auch in den Köpfen der Menschen. Dadurch wird eine breitere gesellschaftliche Teilhabe gefördert und die Akzeptanz des demokratischen Modells gestärkt. Zwei solcher technologischen Innovationen wollen wir folgend vorstellen.

LSApp und SignDict – Apps zur Kommunikation mit Gehörlosen

Kirche digital in Herford - Teilhabe durch Barrierefreiheit

Videos

Für Gehörlose - Die LSApp aus Argentinien
Pfarrer Bodo Ries zu Digitalisierung und Teilhabe